top of page
corinahandler

Traumatherapie: Phasen der Heilung und der Wiederherstellung von Sicherheit

Aktualisiert: 26. Sept.



Traumata können das emotionale und körperliche Wohlbefinden massiv beeinträchtigen, und eine gezielte Therapie kann helfen, diese Wunden zu heilen. Der Prozess der Traumatherapie verläuft in Phasen, die den Heilungsprozess unterstützen. In diesem Artikel werden wir die wichtigsten Phasen der Traumatherapie erläutern und verschiedene therapeutische Ansätze vorstellen.

Stabilisierung und Ressourcenaufbau


Der erste Schritt in der Traumatherapie ist die Stabilisierung. Hier geht es darum, dem betroffenen Menschen zu helfen, wieder emotionale und körperliche Kontrolle über sich selbst zu erlangen. Viele traumatisierte Menschen haben Schwierigkeiten, ihre Gefühle zu regulieren, und sind häufig in einem Zustand der Überwältigung. Techniken wie Achtsamkeit, Atemübungen oder das Erlernen von Entspannungstechniken helfen dabei, das Nervensystem zu beruhigen und die Selbstregulation zu fördern. Parallel dazu wird der Ressourcenaufbau betrieben: Betroffene werden darin unterstützt, innere und äußere Ressourcen zu identifizieren, die ihnen in belastenden Momenten Halt geben, wie etwa positive Erinnerungen, Beziehungen oder Fähigkeiten.


Erleben von Sicherheit und Verbundenheit


In der Traumatherapie ist es essenziell, dass die betroffene Person das Gefühl von Sicherheit und Verbundenheit wiederfindet. Viele Traumapatienten erleben nach ihrem Trauma einen Verlust von Vertrauen in sich selbst und in andere. Daher ist es wichtig, in einem therapeutischen Setting eine sichere Umgebung zu schaffen, in der sich der Betroffene sicher und angenommen fühlt. Dies schafft die Grundlage dafür, dass traumatische Erlebnisse überhaupt thematisiert und verarbeitet werden können. Therapien, die das soziale Umfeld einbeziehen oder in der Gruppe durchgeführt werden, können helfen, ein Gefühl der Verbundenheit wiederherzustellen. Zunächst steht dabei die Verbundenheit mit sich selbst im Vordergrund. Durch Selbstakzeptanz und ein besseres Verständnis für die eigenen Bedürfnisse und Grenzen kann der Betroffene schrittweise wieder Vertrauen in sich entwickeln. Erst dann wird es möglich, stabile, tiefe Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen und das Gefühl der Verbundenheit in einem sozialen Kontext zu vertiefen.

Die therapeutische Beziehung als Schlüssel zur Heilung


Ein wesentlicher Aspekt der Traumatherapie ist die therapeutische Beziehung. Diese Beziehung dient als sichere Basis und ist oft der erste Raum, in dem der Patient wieder Vertrauen aufbauen kann. Einfühlsame, stabile Therapeut:innen bieten die nötige Sicherheit, um sich auf den Heilungsprozess einzulassen. Studien zeigen, dass die Qualität der therapeutischen Beziehung entscheidend für den Erfolg der Therapie ist. Der Therapeut wird oft zur „sicheren Bindungsfigur“, was besonders bei traumatisierten Menschen, die oft Bindungsverletzungen erlitten haben, von zentraler Bedeutung ist. Diese Beziehung ermöglicht es dem Betroffenen, Erfahrungen von Nähe und Vertrauen neu zu erleben, was letztlich dabei hilft, diese Erfahrungen auch in anderen Beziehungen wieder zuzulassen


Physiologische Komplettierung der Schutzmechanismen


Ein weiterer wesentlicher Aspekt der Traumatherapie ist das Verstehen und Verarbeiten der physiologischen Schutzmechanismen, die während eines Traumas ausgelöst werden. Die Reaktionen „Kampf“, „Flucht“ oder „Erstarren“ sind tief in unserem Nervensystem verankerte Überlebensmechanismen, die automatisch ablaufen, um das Überleben in extremen Situationen zu sichern. In der Traumatherapie versucht man, diese unvollständig gebliebenen Reaktionen bewusst abzuschließen und den Körper zu beruhigen. Dabei spielt die sogenannte Psychoedukation eine wichtige Rolle.

 

Psychoedukation bedeutet, dass den Betroffenen erklärt wird, was in ihrem Körper während des Traumas und in stressbelasteten Situationen passiert. Wenn sie verstehen, dass ihre körperlichen Reaktionen wie Herzrasen, Zittern oder Schweißausbrüche normale physiologische Schutzmechanismen sind, die durch das Nervensystem gesteuert werden, kann das die Angst und Hilflosigkeit verringern. Zu wissen, dass diese Reaktionen nicht gefährlich sind, sondern Teil des natürlichen Überlebenssystems, hilft Betroffenen, ihre Symptome besser einzuordnen und sich selbst gegenüber mehr Mitgefühl zu entwickeln. Dieses Wissen befähigt sie, besser mit den Folgen des Traumas umzugehen und die körperlichen Reaktionen nicht mehr als unkontrollierbar oder beängstigend wahrzunehmen.

 

Zusätzlich ist Orientierung ein entscheidender Faktor für den heilsamen Verlauf der Traumatherapie. Während eines Traumas erleben viele Menschen eine Desorientierung – sie verlieren das Gefühl für Raum, Zeit und Sicherheit. In der Therapie wird daher gezielt daran gearbeitet, dass die Betroffenen lernen, sich immer wieder im Hier und Jetzt zu orientieren. Dies geschieht durch einfache Übungen, wie sich bewusst im Raum umsehen, die eigene Körperhaltung spüren oder Gegenstände wahrnehmen. Diese Orientierung im gegenwärtigen Moment ist wichtig, um das Nervensystem zu beruhigen und eine Sicherheitserfahrung zu schaffen. Indem sie lernen, ihre Umgebung bewusst wahrzunehmen und sich im gegenwärtigen Moment zu verankern, kann die traumatische Vergangenheit immer mehr in den Hintergrund treten, und der Körper erfährt, dass die Gefahr vorüber ist.


Unterschiedliche Ansätze: Bottom-up und Top-down


Es gibt verschiedene Ansätze in der Traumatherapie, die unterschiedliche Zugänge zum Heilungsprozess bieten. Die „top-down“-Ansätze, wie die kognitive Verhaltenstherapie (CBT), zielen darauf ab, Gedanken und Überzeugungen zu verändern, um so die emotionale und körperliche Reaktion auf das Trauma zu beeinflussen. Diese arbeiten kognitiv, also von „oben nach unten“. Im Gegensatz dazu arbeiten die „bottom-up“-Ansätze von „unten nach oben“ und setzen am Körper und den physiologischen Reaktionen an, wie etwa die bereits erwähnte körperorientierte Traumatherapie. Beide Ansätze können je nach Person und Trauma hilfreich sein, und in vielen Fällen werden sie auch kombiniert.

 

Zusammengefasst zeigt sich, dass die Traumatherapie ein vielschichtiger Prozess ist, der sowohl den Körper als auch den Geist einbezieht. Durch Stabilisierung, das Wiedererlangen von Sicherheit und die physiologische Bearbeitung des Traumas können Betroffene schrittweise Heilung erfahren. Die therapeutische Beziehung spielt dabei eine tragende Rolle, da sie als sicherer Rahmen für den gesamten Prozess dient.

1 Ansicht0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Comments


bottom of page