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PTBS und körperorientierte Traumaarbeit: Ein Weg zur Heilung



Die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) ist eine psychische Erkrankung, die nach dem Erleben oder Beobachten eines extrem belastenden Ereignisses auftritt. Typische Auslöser können Naturkatastrophen, Unfälle, Kriege, körperliche oder sexuelle Gewalt sein.


Neben diesen akuten Traumata gibt es auch sogenannte Bindungs- und Entwicklungstraumata, die durch langanhaltende Vernachlässigung, emotionale Abwesenheit oder unsichere Bindungen in der Kindheit entstehen. Diese Art von Trauma beeinflusst die Entwicklung des Gehirns und des Nervensystems und hinterlässt tiefe Spuren in der Persönlichkeitsstruktur und emotionalen Regulierung. Bindungsforschungen, insbesondere die Arbeiten von John Bowlby und Mary Ainsworth, haben gezeigt, dass unsichere Bindungen in der Kindheit das Risiko für die Entwicklung von PTBS und anderen psychischen Störungen erhöhen, da betroffene Personen weniger stabile innere Ressourcen zur Bewältigung von Stress entwickeln. Diese frühen Prägungen beeinflussen das spätere Beziehungsverhalten und die Fähigkeit, Emotionen zu regulieren, erheblich.

Die Rolle des Körpers und des Nervensystems bei PTBS


Traumata beeinflussen das autonome Nervensystem, das für die unbewusste Steuerung lebenswichtiger Funktionen verantwortlich ist. Bei PTBS bleibt der Körper oft in einem Zustand erhöhter Alarmbereitschaft, auch wenn die Gefahr längst vorüber ist. Diese anhaltende Aktivierung des sympathischen Nervensystems führt zu Stresssymptomen wie Herzrasen, Schweißausbrüchen und Muskelverspannungen. Gleichzeitig kann es zu einer „Erstarrungsreaktion“ kommen, bei der der Körper in einen Zustand der Immobilität verfällt, ähnlich wie Tiere in der Natur auf Bedrohungen reagieren. Körperorientierte Ansätze wie Somatic Experiencing helfen, diese erstarrte Energie zu lösen und das Nervensystem zu regulieren.

Körperorientierte Traumaarbeit und Somatic Experiencing


Körperorientierte Traumatherapien zielen darauf ab, die körperlichen Reaktionen auf das Trauma zu behandeln, da traumatische Erlebnisse nicht nur auf psychischer, sondern auch auf körperlicher Ebene gespeichert werden.

Häufig betrifft dies das Bindegewebe (Faszien), das als Netzwerk den gesamten Körper durchzieht und durch chronische Anspannung verhärtet oder verklebt sein kann. Traumata manifestieren sich auch in der Muskulatur, den Organen und dem autonomen Nervensystem. Eine besonders einflussreiche Methode ist das Somatic Experiencing, das von dem Traumaforscher Peter Levine entwickelt wurde. Somatic Experiencing basiert auf der Annahme, dass traumatische Energie im Nervensystem "eingefroren" wird und durch gezielte körperliche Wahrnehmung und langsame Bewegungen gelöst werden kann. Dabei wird der Klient angeleitet, auf körperliche Empfindungen zu achten und diese schrittweise zu bearbeiten, um das Trauma sanft zu verarbeiten und eine Rückkehr zu einem normalen Spannungszustand zu ermöglichen.



Die Verbesserung der PTBS-Symptome zeigt sich oft in einer spürbaren körperlichen Entlastung, wie einem Nachlassen von chronischen Muskelverspannungen, einem tieferen Atemrhythmus oder einer Reduzierung von Schweißausbrüchen und Herzrasen. Emotionale Stabilität kehrt zurück, Betroffene fühlen sich sicherer in ihrem Körper und sind weniger von Flashbacks oder Panikattacken überwältigt. Auch die Fähigkeit, sich besser zu konzentrieren, klarer zu denken und entspannter mit stressigen Situationen umzugehen, wird häufig als Zeichen der Besserung wahrgenommen.


Die Fähigkeit des Körpergewahrseins muss sich langsam entwickeln.

Wir können den Körper nur ganz allmählich erfahren.

Peter A. Levine

Konkrete Vorgehensweise der körperorientierten Traumatherapie


In einer Sitzung der körperorientierten Traumaarbeit, z. B. bei Somatic Experiencing, beginnt die Arbeit oft mit einer sanften Hinführung zur Körperwahrnehmung. Der Klient wird gebeten, sich auf körperliche Empfindungen zu konzentrieren, ohne dabei direkt in die traumatische Erinnerung einzutauchen. Dies könnte bedeuten, subtile Veränderungen in der Atmung oder im Muskeltonus zu bemerken. Der Therapeut unterstützt dabei, diese Empfindungen zu benennen und zu erkunden, ohne dabei das Trauma zu überwältigend zu machen. Durch kleine Schritte wird das Nervensystem entlastet, während der Klient gleichzeitig die Kontrolle über seine Reaktionen behält. Oft wird mit der sogenannten „Titration“ gearbeitet, bei der nur kleine Mengen traumatischer Energie freigesetzt werden, um das Nervensystem nicht zu überfordern.


Studienlage zur Wirksamkeit körperorientierter Traumatherapie bei PTBS


Eine wegweisende Studie zur Wirksamkeit von Somatic Experiencing wurde 2017 im „Journal of Traumatic Stress“ veröffentlicht. Die Studie zeigte, dass Somatic Experiencing signifikante Verbesserungen bei Patienten mit PTBS-Symptomen bewirken konnte. Die Forscher fanden heraus, dass nach 10 Sitzungen bei 44 % der Teilnehmer die PTBS-Symptome stark reduziert wurden und viele der Teilnehmer eine erhöhte Fähigkeit zur Selbstregulation und Resilienz berichteten. Die körperorientierte Arbeit ermöglichte es den Betroffenen, ihre Trauma-Reaktionen auf einer tieferen, körperlichen Ebene zu verarbeiten, was sich langfristig stabilisierend auf das Nervensystem auswirkte (Levine et al., 2017).

 

Quellen:

Levine, P. A., & Frederick, A. (1997). Waking the Tiger: Healing Trauma. North Atlantic Books.

das Buch von Peter Levine ist auch auf Deutsch erhältlich. Der deutsche Titel lautet: „Traumaheilung: Das Erwachen des Tigers. Unsere Fähigkeit, traumatische Erfahrungen zu transformieren“, Kösel Verlag.

Levine, P. (2017). Somatic Experiencing for Posttraumatic Stress Disorder: A Randomized Controlled Efficacy Trial. Journal of Traumatic Stress, 30(5), 573–581.

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